Wir freuen uns über unser Freunde, die Hahnenfedern!

 

Hahnenfeder 2020 PK Band III KWMDie Hahnenfeder bei der Präsentation ihres dritten Bandes in der Kulturwerkstatt im Jahr 2020.

 

Als Gruß haben uns die vier Autoren eine Geschichte gesandt:

 

Die folgende Geschichte von Dieter Lesemann, nach Erinnerungen von Rosemarie Hanke, aus Band III der Reihe „Damals in Meiderich – Geschichten von gestern“ legen wir euch unter den Weihnachtsbaum.


Die Schiffe tuten noch.

Von meiner Geburt 1949 bis zum Jahre 1956 wohnen wir zur Untermiete auf der Schwabenruhrstraße in Meiderich. Es ist eng, denn wir haben nur zwei Zimmer: ein Schlafzimmer und eine Wohnküche.
Heute ist der 24. Dezember 1955. Ich hocke aufgeregt auf dem Rand des Ehebettes meiner Eltern und krame in der Zigarrenkiste mit meinen Glanzbildern. Ich entscheide mich für zwei wunderschöne Engel mit Glitter und lege sie auf das Kopfkissen meiner Mutter. ‚Wie auf einer Wolke’, denke ich.
Ich muss im Schlafzimmer sitzen, weil meine Eltern dabei sind, die Wohnküche zum Weihnachtszimmer zu schmücken. Ich bin gespannt, was wohl für mich unter dem Weihnachtsbaum liegen wird.
Es muss kurz vor sechs sein, denn endlich drückt sich meiner Mutter durch die sich öffnende Türe von der Wohnküche zu mir ins Schlafzimmer. Was jetzt kommt, kenne ich schon: Ich muss die Augen ganz fest zumachen und versprechen, dass ich nicht blinzele. Dann führt meine Mutter mich durch das Weihnachtszimmer auf unseren kleinen Balkon, wo schon mein Vater auf uns wartet. Im Hinausgehen zieht meine Mutter noch den Vorhang vor die Balkontüre.
Ich darf jetzt meine Augen öffnen, und unsere Blicke gehen in Richtung des Ruhrorter Hafens. Meine Mutter hat einen Arm um meine Hüfte, mein Vater seine linke Hand auf meine Schulter gelegt. Es ist natürlich schon dunkel. Ich schließe meine Augen einfach wieder. Und dann geht es auch schon los: Aus dem Hafen ist das Tuten vieler, vieler Schiffe zu hören. Jetzt muss es genau sechs Uhr sein. Die Binnenschiffer und ihre Familien ‚tuten’ den Heiligen Abend ‚ein’!
Es dauert eine Zeitlang, dann ist es plötzlich wieder ganz still auf unserem Balkon. Ich merke, dass ich immer noch meine Augen geschlossen habe. Jetzt öffne ich sie und drehe mich zur Balkontüre um, denn das Tuten ist mein Silberglöckchen. Durch den nicht ganz geschlossenen Vorhang sehe ich schon den hell erleuchteten Weihnachtsbaum.
1956 ziehen wir um in die Siegriedstraße. Auch dort haben wir einen Balkon und gehen weiterhin an jedem Heiligen Abend um kurz vor sechs hinaus. Die Augen muss ich jetzt nicht mehr schließen, tue es aber manchmal trotzdem und taste mich hinaus und lausche dem Tuten der Schiffe.
Als ich 1987 mit meiner Familie in das Haus meiner Eltern, die inzwischen verstorben waren, in die Siegfriedstraße zurückkomme, ist unsere Tochter Nina zehn Jahre alt. Mit ihr setzen wir die alte Tradition fort. Das Tuten ist inzwischen leiser geworden, aber es ist noch da.
Nach einigen wenigen Jahren aber verschwindet es völlig. Trotzdem gehen wir nach wie vor an jedem Heiligen Abend auf den Balkon. Inzwischen mit meiner Enkeltochter Karla. Sie hat die Augen geschlossen, und wir lauschen Richtung Ruhrort und hören die Schiffe nicht mehr tuten.
Nur, wenn es einen Augenblick ganz still ist, dann tuten sie noch in meiner Erinnerung …

 

Hahnenfeder

 

-------------------

 

Wie bereits im vergangenen Jahr gab es auch 2020 im Stadtpark eine Lesung der Hahnenfeder.

Hahnenfeder im Stadtpark

Die Ankündigung von Dieter Lesemann:

 

Liebe Freunde der Hahnenfeder,

die Hahnenfeder liest am Sonntag, 26.07., 11.00 Uhr auf der Minigolfanlage im Meidericher Stadtpark.

Herzlich willkommen!

 

Viele Grüße

Dieter Lesemann